Da ich schon vor dem Beginn des ersten Vortrags am Veranstaltungsort - der Sporthalle beim Turnverein Laubenheim 1883 e.V. - eintrudelte, konnte ich mir in aller Ruhe einen ersten Eindruck von den Räumlichkeiten und der Atmosphäre machen. Insgesamt offenbarte sich der Lauf-Kongress als kuriose und interessante Mischung aus lokalem Charme und internationalem Flair. So befanden sich unter den Anwesenden beispielsweise Teilnehmer des Internationalen Trainerlehrgangs des Deutschen Leichtathletikverbands der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, aber eben auch der ein oder andere "erfahrenere" Hobbysportler von nebenan. Neben einer guten und liebevoll vom Ausdauerleistungsverein Mainz organisierten Essens- und Getränketheke konnten alle Teilnehmer auch aktuelle Sportschuhe von Marken wie Brooks, Hoka One One, oder On ausprobieren. Direkt kaufen konnte man diese allerdings leider nicht - vielleicht ein kleiner Verbesserungsvorschlag für kommende Veranstaltungen.
Nach den üblichen Eröffnungsworten ging es dann mit dem ersten Vortrag los. Thema: Steuerung des Ausdauertrainings über Intensität und Ausdauer. Referent war der mir bereits bekannte Diplom-Sportwissenschaftler der Sportmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Björn Sterzing. Kurz und knapp ging es dabei um die optimale Planung und Messung des Trainings anhand sogenannter Belastungsnormative. Hierbei unterscheidet man unter anderem zwischen der Belastungsintensität (i.e. die individuelle Anstrengung einer Trainingseinheit), der Belastungsdauer (i.e. die zeitliche Länge einer Trainingseinheit), der Belastungsdichte (i.e. der Zeitspanne zwischen zwei Trainingseinheiten) und der Belastungshäufigkeit (i.e. der Anzahl der Trainingseinheiten in einem bestimmten Zeitraum, z.B. in einer Woche). Konkret gesagt: je intensiver und häufiger man trainiert, desto höher ist die Gesamtbelastung. Ist diese zu hoch, rutscht man im schlimmsten Falle ins Übertraining und hat damit genau das Gegenteil von dem erreicht, was man eigentlich wollte: schneller und fitter zu werden. Moderne Sportuhren (z.B. meine Garmin Fenix 5x Plus) erfassen glücklicherweise mittlerweile eine Unmenge an Daten und teilen einem mit, ob man sich noch im grünen Bereich bewegt oder ob man lieber mal einen Gang zurückschalten sollte - eine eigentlich sehr einleuchtende Logik, mit der ich aber ehrlicherweise nach wie vor meine Probleme habe. Mein persönliches Fazit des ersten Vortrags: Intensiver die Trainingsgesamtbelastung im Auge haben und nicht immer Vollgas geben, sondern stattdessen die Intensität der Trainingseinheiten zu variieren - was uns auch zum zweiten Vortrag des Tages bringt.
Darin ging es um ein Neues Intervallkonzept im Ausdauertraining. Referent war der Trainings- und Bewegungswissenschaftler Dr. Ronald Burger. Anhand mehrerer wissenschaftlicher Studien präsentierte er zunächst die Grundlagen und Vorteile des sogenannten High Intensity Trainings (HIT) und High Intensity Interval Trainings (HIIT). Besonders spannend war unter anderem eine mir bereits bekannte Vergleichsstudie des japanischen Sportwissenschaftlers Izumi Tabata. Dieser ließ zwei Gruppen sechs Wochen lang unterschiedlich trainieren: während eine Gruppe an fünf Tagen pro Woche 60 Minuten lang konventionell trainierte, trainierte die zweite Gruppe nur an einem Wochentag konventionell und absolvierte an vier weiteren Tagen lediglich ein vierminütiges HIIT-Training. Das Resultat: die Leistungsdaten der HIIT-Gruppe lagen nach sechs Wochen nur knapp unter den Leistungsdaten der ersten Gruppe - bei deutlich geringerem zeitlichem Aufwand. Fazit: an der Integration von HIIT-Trainingseinheiten in den eigenen Trainingsplan geht für ambitionierte Sportler nach den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen im Grunde kein Weg mehr vorbei.
Thema des dritten und letzten Vortrags: Alte und neue Paradigmen zu Läufer und Laufschuh. Mythen, Wahrheiten und Evidenzen. Ungeachtet des etwas sperrigen Titels war dies aus meiner Sicht definitiv eines der Highlights des Tages. Zudem eines mit praktischen Konsequenzen - aber dazu später mehr. Referent war der Biomechanik-Experte und frühere Leiter des Instituts für Biomechanik und Orthopädie an der Sporthochschule Köln, Prof. Gert-Peter Brüggemann. Dieser gab zunächst einen kurzen historischen und ausgesprochen erhellenden Abriss der Evolution von Laufschuhen. Dabei erläuterte er sehr plausibel, dass die meisten seit den 1980er Jahren auf den Markt gebrachten Laufschuhen durch ihre unzähligen Stabilisations-und Stützsysteme letztlich mehr Schaden als Nutzen angerichtet hätten, was unter anderen an einer deutlich erhöhten Anzahl an Verletzungen im Kniebereich zu sehen sei. Basierend auf seiner langjährigen Erfahrung in der Entwicklung von Laufschuhen entwickelte er daher gemeinsam mit Andre Kriwet, dem frühen Chef-Produktentwickler bei Brooks, einen komplett neuen Laufschuh, der von der Anatomie des menschlichen Fußes inspiriert ist und mit einer innovativen Sohlenkonstruktion die Drehkräfte auf das Knie minimiert bzw. eliminiert.
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